Der Jazz ist zurück in Prenzlauer Berg!
Für alle Jazzliebhaber*innen in Berlin und anderswo.
Deutsch
(English below)
Die Jazzinitiative "Jazz am Helmholtzplatz" hat im März 2018 damit begonnen, Konzerte für professionelle Jazzmusiker*innen zu organisieren. Der zündende Moment war ein Konzert mit dem wunderbaren Quartett um den legendären Allan Praskin (sax) mit Lars Gühlcke (bass), Jan Leipnitz (drums) und Ulli Bartel (violin) im Herbst 2017 in einer kurz vor dem Abriss stehenden Shisha Bar namens "Café Aleppo" in Neukölln, die zwar angenehm pittoresk, aber recht improvisiert aus Wellblechplatten zusammengebaut worden war. Das Publikum bestand aus vier Personen. Die Shisha Bar musste inzwischen einem Wolkenkratzer weichen. Offensichtlich fehlt es nicht nur an genügend etablierteren Locations für professionelle Jazzmusiker*innen in Berlin, sondern auch an finanziellem Support. In den Jazzclubs der Stadt erhalten die Musiker*innen gelegentlich nicht mehr als einen "Fuffi", Konzerte mit festem Honorar (derzeit lautet die Empfehlung der IG Jazz 375 Euro pro Musiker*in) machen schätzungsweise maximal 20 Prozent aller Jazzkonzerte in Berlin aus.
Das erste Konzert fand in einer angrenzenden Straße des Helmholtzplatzes, im Kellerkino des ehemaligen Restaurants "Chaostheorie" und heutigen "Kanaan", statt. Inzwischen sind zahlreiche andere Spielstätten im weiteren Radius um den Platz herum erschlossen worden. Als Platz im Herzen Berlins zieht der Helmholtzplatz Menschen von überall an, dort treffen engste Nachbarn auf die ganze Welt, er ist ein realer Ort und gleichzeitig Sinnbild für weltumspannende Nachbarschaftlichkeit. Außerdem beherbergt er einen enormen Spielplatz, auf dem sich Groß und Klein austoben, Neues spielend ausprobieren und der Fantasie freien Lauf lassen kann. Der "Spielplatz" ist hier nicht nur als ein geographischer Orientierungspunkt, sondern auch als ein ästhetisch inspiriertes Aktionsmuster zu verstehen.
Der Jazz steht für Kommunikation über alle Grenzen und Mentalitäten hinweg, gleichzeitig macht er Lebens- und Gefühlsintensität erfahrbar. "Jazz am Helmholtzplatz e.V." steht für lebendigen, kreativen, internationalen Jazz für alle Musikliebhaber*innen, knüpft an die Jazzszene der Nachwendezeit an, möchte den Jazz in seiner ganzen Diversität vertreten, bemüht sich um Gendergerechtigkeit, bespielt verschiedene Locations und arbeitet auf non-profit Basis mit international bekannten Musiker*innen und mit unentdeckten Talenten zusammen. Ein Programmschwerpunkt von Jazz am Helmholtzplatz e.V. sind thematisch orientierte, im engeren Sinne kuratierte Reihen, die historische, gesellschaftspolitische, ästhetische Themen beleuchten. Sie gehen mit einer Recherche des Notenmaterials einher, werden von Programmheften oder Readern, sowie Diskursveranstaltungen begleitet und im Rahmen von Förderungen umgesetzt. Außerdem engagiert sich Jazz am Helmholtzplatz e.V. für Jazzkonzerte in der ländlichen Kleeblatt Region in Brandenburg (Ostprignitz-Ruppin) und hat dort bereits einige Ausgaben der "Kleeblatt Contemporary Jazz" Reihe realisiert. Die seit 2019 fortlaufende Reihe "Brazil&Jazz" stellt einen weiteren Schwerpunkt dar.
Die Professionalität und atemberaubende Kreativität der Jazzmusiker*innen entspricht überhaupt nicht deren Anteil am "kommerziellen Markt". Die Initiative ist daher seit 2018 ehrenamtlich tätig, um sich für Jazzmusiker*innen und Jazz zu engagieren. Jazz am Helmholtzplatz e.V. möchte dazu beitragen, den Musiker*innen mehr Live - Auftritte zu ermöglichen, den Jazz wieder stärker in Pankow (und anderswo) zu verankern, wo er bis in die 1990-er Jahre hinein vielerorts zu hören war, ein größeres Publikum zu erreichen und die lokale Szene sichtbarer werden zu lassen. Seit April 2021 ist Jazz am Helmholtzplatz ein eingetragener Verein und erhält punktuell Projektförderung von verschiedenen Institutionen. Unser Engagement wird außerdem von der Begeisterung für den Jazz und dem Staunen über die unglaubliche Kreativität, Diversität und Energie der Jazzmusiker*innen getragen.
Unter dem Begriff "Jazz" wird eine stilistisch komplexe Musikrichtung des 20. Jahrhunderts verstanden, die in den USA aus dem Blues heraus hervorging, gleichzeitig aber auch afrokaribische Rythmen, sowie europäische Klangmuster absorbiert hat und daher als transkulturell bezeichnet werden kann. Sie ist unweigerlich mit der Geschichte der Sklaverei in den USA und deren soziopolitischen Konsequenzen verbunden und brachte in ihrer historischen Entwicklung unterschiedliche Strömungen hervor, die heute gleichberechtigt nebeneinander existieren. Dazu gehören der Dixie, der Swing, der Bebop, aber auch die zeitgenössische experimentelle und improvisierte Musik, ebenso wie verschiedene Ausprägungen im internationalen Kontext. Es ist eine Musik, die "handgemacht" ist und in der Elektronik eher als eine Ergänzung oder Erweiterung des jeweiligen Instrumentes genutzt wird. Die individuelle Entfaltung der einzelnen Musiker*innen ist ein essenzieller Bestandteil des Jazz und die demokratische Struktur innerhalb einer Band ist nicht nur ein künstlerisches, sondern auch ein politisches Konzept. Ein entscheidendes Merkmal des Jazz ist die Improvisation und die Auseinandersetzung damit. Jazz am Helmholtzplatz e.V. möchte sich keiner der verschiedenen Strömungen und regionalen Entwicklungen innerhalb des Jazz verschließen: von Jelly Roll Morton bis zur experimentellen Musik. Das englische Verb "to jazz" ist ein Begriff, der über die Musik hinaus Verwendung findet und sich auf erlebbare Situationen bezieht, die aufgepeppt oder belebt werden, wobei sie mehr Energie und Schwung erhalten. Der Jazz ist letztlich eine Ausprägung der "Neuen Musik" des 20. Jahrhunderts - es hat in seiner Entwicklung etliche ästhetische Überschneidungen mit der "klassisch" konnotierten Musik gegeben, die sich in der Aufführungs- und Kompositionspraxis von Musiker*innen reflektierten und bis heute fortbestehen.
English
Bringing jazz back to Prenzlauer Berg since 2018.
For all jazz lovers in Berlin and elsewhere.
The jazz initiative “Jazz am Helmholtzplatz” began organizing concerts for professional jazz musicians in March 2018. The igniting spark was a concert with the wonderful quartet around the legendary Allan Praskin (sax) with Lars Gühlcke (bass), Jan Leipnitz (drums) and Ulli Bartel (violin) in the fall of 2017 in a shisha bar called “Café Aleppo” in Neukölln, which was about to be demolished and had been put together in a pleasantly picturesque but rather improvised manner from corrugated iron sheets. The audience consisted of four people. The shisha bar had to make way for a skyscraper. Obviously, there is not only a lack of established venues for professional jazz musicians in Berlin, but also a lack of financial support. In the city's jazz clubs, musicians occasionally receive no more than a “Fuffi”, and concerts with a fixed fee (currently the recommendation of IG Jazz is 375 euros per musician) make up an estimated maximum of 20 percent of all jazz concerts in Berlin.
The first concert took place in a neighboring street of Helmholtzplatz, in the basement cinema of the former restaurant “Chaostheorie” and today's “Kanaan”. Since then, numerous other venues have been opened up in the wider radius around the square. As a square in the heart of Berlin, Helmholtzplatz attracts people from everywhere, where the closest neighbors meet the whole world; it is a real place and at the same time a symbol of global neighborliness. It is also home to an enormous playground where young and old can let off steam, try out new things through play and let their imaginations run wild. The “playground” here is not only to be understood as a geographical point of orientation, but also as an aesthetically inspired pattern of action.
Jazz stands for communication across all borders and mentalities, while at the same time making it possible to experience the intensity of life and emotions. “Jazz am Helmholtzplatz e.V.” stands for lively, creative, international jazz for all music lovers, ties in with the jazz scene of the post-reunification period, aims to represent jazz in all its diversity, strives for gender equality, plays at various venues and works on a non-profit basis with internationally renowned musicians and undiscovered talents. One of Jazz am Helmholtzplatz e.V.'s program focuses on thematically oriented, curated series that shed light on historical, socio-political and aesthetic topics. They go hand in hand with research into the musical material, are accompanied by program booklets or readers, as well as discourse events and are implemented within the framework of funding. Jazz am Helmholtzplatz e.V. is also committed to jazz concerts in the rural "Kleeblatt Region" in Brandenburg (Ostprignitz-Ruppin) and has already realized several editions of the “Kleeblatt Contemporary Jazz” series there. The “Brazil&Jazz” series, which has been running since 2019, is another focus.
The professionalism and breathtaking creativity of jazz musicians does not correspond at all to their share of the “commercial market”. The initiative has therefore been working on a voluntary basis since 2018 to promote jazz musicians and jazz. Jazz am Helmholtzplatz e.V. aims to help musicians perform more live gigs, re-establish jazz in Pankow (and elsewhere), where it could be heard in many places until the 1990s, reach a larger audience and make the local scene more visible. Jazz am Helmholtzplatz has been a registered association since April 2021 and receives selective project funding from various institutions. Our commitment is also driven by our enthusiasm for jazz and our amazement at the incredible creativity, diversity and energy of jazz musicians.
The term “jazz” refers to a stylistically complex musical genre of the 20th century that emerged from the blues in the USA, but at the same time also absorbed Afro-Caribbean rhythms and European sound patterns and can therefore be described as transcultural. It is inextricably linked to the history of slavery in the USA and its socio-political consequences and, in its historical development, has given rise to different movements that exist side by side on an equal footing today. These include Dixie, swing, bebop, but also contemporary experimental and improvised music, as well as various forms in an international context. It is music that is “handmade” and in which electronics are used more as a supplement or extension of the respective instrument. The individual development of each musician is an essential part of jazz and the democratic structure within a band is not only an artistic but also a political concept. A decisive characteristic of jazz is improvisation and the confrontation with it. Jazz am Helmholtzplatz e.V. does not want to close itself off to any of the various trends and regional developments within jazz: from Jelly Roll Morton to experimental music. The English verb “to jazz” is a term that is used beyond music and refers to tangible situations that are spiced up or enlivened, giving them more energy and momentum. Jazz is ultimately a manifestation of the "Neue Musik" (“new music”) of the 20th century - in its development, there have been a number of aesthetic overlaps with "classical" music, which have been reflected in the performance and compositional practice of musicians and continue to this day.